Die Zeiten wandeln sich; einst hat der Greifenstein die Blankenburger zugleich geschützt und geplündert, und nun tun sie ihm das gleiche; er ist ihr Steinbruch, aber vor allzu argem Verfall wahren sie ihn doch – der Fremden wegen, von denen nun die halbe Stadt lebt (die andere Hälfte von allerlei Fabriken); den Sommergästen muß der romantische Aussichtspunkt erhalten bleiben. Daß der Greifenstein wie die schönste so die älteste Ruine Deutschlands ist, darauf schwört jeder Blankenburger; sie wissen auch ganz genau, wer die Burg erbaut hat, »ein Herr Greif vor zweitausend Jahren«, wie mir die Kellnerin in der Burgwirtschaft sagte und der Krämer stolz bestätigte. Dieser Herr Greif ist aber keine Erfindung der neuen Zeit, sondern des 17. Jahrhunderts; damals fand's ein Historiker: Greif war ein Sohn Karl Martells und erbaute die Burg 748; den Tag hätte der Mann auf Verlangen auch festgestellt; heute haben's die armen Geschichtsschreiber viel schwerer.
Noch stolzer aber als auf den Herrn Greif sind die Blankenburger auf einen Mann, der nur acht Jahre (1837–1845) ihr Mitbürger war; sein Wohnhaus, dann seine Arbeitsstätte sind mit Gedenktafeln geschmückt, und zu seinem hundertsten Geburtstag (1882) haben sie ihm sogar ein Denkmal errichtet. Alles nicht zu viel, denn der Mann hat mehr für die Menschheit getan als alle regierenden Heinriche und Günther zusammengenommen und hat dem kleinen Nest einen unvergänglichen Ruhmestitel geschaffen; hinter der Kirche, im Kellerhaus – jetzt ist die Mädchenschule drin – entstand 1840 der erste Kindergarten der Welt. Nun weiß man, daß ich von Friedrich Fröbel spreche; im nahen Oberweißbach geboren, ließ er sich als Fünfziger hier nieder, um endlich seine Idee – die Erziehung des Kindes als »Gliedganzes« – praktisch durchzuführen; nachdem sie sich bewährt hatte, übersiedelte er nach Schloß Marienthal bei Liebenstein, wo ihm größere Räume und Mittel zur Verfügung standen. Kein Geringer im Geist, war er ein Großer im Gemüt, und die haben's immer noch etwas härter als andere Große; man versteht heut, welcher todernste Kampf um sein Ideal sein Leben war, versteht, daß man ihn verkannte und verhöhnte, selbst das Verbot der Kindergärten in Preußen (1851), das dem alternden Manne das Herz brach, ist verständlich; es ist immer dieselbe Geschichte, solang Menschen auf Erden leben, aber sie kreuzigen doch immer nur den Körper, nicht den Geist. Man hört jetzt oft die Mahnung, Fröbel nicht zu überschätzen, das steht mir fern; auch ich weiß, wie abhängig er von Pestalozzi war; der Mensch wie der Schriftsteller sind von Schrullen nicht frei; und neben Tiefsinnigem findet sich (wie freilich gerade bei Pädagogen nicht selten, die sich immer zum Kinde bücken müssen) auch Läppisches; zudem weiß ich, durch wieviel Arbeit anderer der Kindergarten von 1840 zu dem wurde, was er heut ist. Aber ohne Fröbel hätten wir ihn nicht, und darum ist weit mehr die Mahnung am Platze, ihn nicht zu unterschätzen. Durch ihn sind Milliarden Menschenkinder ein wenig besser, ein wenig gesunder geworden, als sie sonst gewesen wären – wessen Ruhm wäre schöner?
